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Neurosen & Psychosen
Neurosen und Psychosen spielen eine wesentliche Rolle in der Psychologie – sei es nun im erkenntnistheoretischen oder therapeutischen Kontext. Dennoch ist hier Vorsicht geboten, denn es handelt sich um Pathologisierungen, die auch immer mit dem Zeitgeist in Verbindung stehen. Nicht selten in der Geschichte wurde diese Form von Pathologisierung als politisches oder gesellschaftliches Machtinstrument genutzt. Wer krank ist, den muss man nicht ernst nehmen. Und somit ist jegliche Bedrohung der eigenen Wahrnehmung oder Anschauung, jede Kritik, jeder Störfaktor vom Tisch. Diese Problematik wird in den Geisteswissenschaften nach wie vor breit diskutiert. Vor allem die Frankfurter Schule hat sich damit ein Gebiet erschlossen, das nach wie vor nicht an Relevanz verliert.…
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Ambivalenz vs. Individualität
Ich mach es, ich mach es nicht… Sind wir in unserer Persönlichkeit hinsichtlich gewisser Entscheidungen manchmal tatsächlich gespalten? Rudolf Dreikurs behauptet: Keineswegs. In seinem individualpsychologischen Klassiker, indem er die Lehren Adlers zusammenfasst und interpretiert, geht er von einer unteilbaren, individuellen (in-dividere) Persönlichkeit aus. Ganz im Gegensatz zum Common-Sense der damaligen Wissenschaft: Diese betrachtete den Menschen nämlich als grundsätzlich ambivalent, hin- und hergerissen zwischen verschiedenen Kräften: Verstand und Gefühl, Bewusstsein und Unbewusstsein, Subjekt und Objekt… Ein Bild, das auch heute noch stark kursiert. Für Adler ist dieser Dualismus ein Selbstbetrug, eine Konstruktion von Gegensätzen, die das eigentliche Ziel des Menschen verschleiern soll. Immer dann, wenn ein Mensch sich nicht offen zu…
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Das Gemeinschaftsgefühl
Die Gemeinschaft nimmt in der Lehre Adlers ein Schlüsselelement ein. Die Gemeinschaft ist maßgeblich bedeutsam für die Entwicklung des menschlichen Charakters. Jedes pathologische Symptom hängt nach Adler mit der Haltung eines Menschen zu seiner Umwelt zusammen. Er argumentiert das folgendermaßen: Der Mensch ist auf die Gemeinschaft angewiesen, wie kein anderes Lebewesen. Das begründet sich allein schon aus seiner Biologie: Die Bedürftigkeit eines Säuglings veranschaulicht dies – kein Menschenkind wäre ohne die Gemeinschaft auch nur annähernd lebensfähig. Allerdings beschränkt sich Adler mit seiner Argumentation nicht auf die Biologie – im Gegenteil. Die Besonderheit seines Ansatzes ist gerade die Abkehr von der biologistischen Persönlichkeitslehre. Und seine Hinwendung zu einer sozialen: Im Mittelpunkt…
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Die Lebensaufgaben nach Adler
Glück und Zufriedenheit hängen in der Individualpsychologie Alfred Adlers maßgeblich von unserem Gemeinschaftsgefühl ab: Der Art und Weise, wie wir Beziehungen und Gemeinschaft gestalten. Ein wichtiges Element in seiner Theorie sind die Lebensaufgaben, welche die Forderungen der menschlichen Gemeinschaft repräsentieren: Beruf, Liebe und soziale Eingliederung. In all diesen Lebensbereichen geht es um harmonische und respektvolle Beziehungen, die eine Anerkennung der eisernen Logik menschlicher Gleichwertigkeit erfordern. Das Gemeinschaftsgefühl muss dabei mit dem eigenen Selbstwertgefühl kohärent sein um weder eine Überanpassung (auf Kosten der Individualität) noch eine Unteranpassung (auf Kosten der Gemeinschaft) zu erzeugen. Mehr zum Verhältnis Individualität, Gemeinschaft und Masse hier. Sobald die eiserne Logik menschlicher Gleichwertigkeit gebrochen wird, indem wir…
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Adlers Private Logik
Laut Alfred Adler ist die Private Logik eine Folge der Emanzipation des Menschen, die mit der Demokratisierung der Gesellschaft einhergeht: Der Mensch wird sich seiner eigenen Wertigkeit und Unabhängigkeit bewusst und beginnt, selbst zu entscheiden, was Recht und Unrecht für ihn bedeutet. Er verhält sich zu seiner Umwelt und funktioniert nicht mehr nur nach Anweisung. Dennoch gibt es eine Art Common Sense in der Gemeinschaft, der vorgibt was zu tun und was zu lassen ist. Der Mensch ist nur nicht mehr dazu verpflichtet, sich entsprechend zu verhalten, er müsste und sollte sich dazu entscheiden. Aber manchmal entscheidet er sich eben gegen das, was gemeinhin als das Richtige anerkannt ist. Diese…
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Alfred Adler: Individualpsychologie
Alfred Adler (1870-1937), österreichischer Arzt und Psychiater, Begründer der Individualpsychologie, einer einflussreichen psychologischen Schule. Als ehemaliger Sympathisant von Freud entwickelte Adler eine einzigartige Perspektive, die den psychoanalytischen Ansatz um wesentliche Elemente ergänzte. Adlers Individualpsychologie betont die Einzigartigkeit jedes Menschen und seine Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Ein zentraler Begriff seiner Lehre ist das Gemeinschaftsgefühl. Der Begriff der Individualpsychologie deuten auf seinen holistischen Ansatz hin: Das Individuum ist unteilbar – in-divisible. Es geht Adler um eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen, nicht – wie zu seiner Zeit Gang und Gebe – um Teilphänomene oder Aspekte, die auf das Ganze schließen lassen. Rudolf Dreikurs, ein bedeutender Schüler Adlers, beschreibt seine Psychologie als Teleoanalyse und rekurriert…