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Adlers Private Logik

Laut Alfred Adler ist die Private Logik eine Folge der Emanzipation des Menschen, die mit der Demokratisierung der Gesellschaft einhergeht: Der Mensch wird sich seiner eigenen Wertigkeit und Unabhängigkeit bewusst und beginnt, selbst zu entscheiden, was Recht und Unrecht für ihn bedeutet. Er verhält sich zu seiner Umwelt und funktioniert nicht mehr nur nach Anweisung.

Dennoch gibt es eine Art Common Sense in der Gemeinschaft, der vorgibt was zu tun und was zu lassen ist. Der Mensch ist nur nicht mehr dazu verpflichtet, sich entsprechend zu verhalten, er müsste und sollte sich dazu entscheiden. Aber manchmal entscheidet er sich eben gegen das, was gemeinhin als das Richtige anerkannt ist. Diese Entscheidung ist aber keineswegs irrational, sie entspricht nur nicht der Logik des menschlichen Zusammenlebens: Sie folgt einer privaten Logik. Diese private Logik umfasst Denkprozesse auf Grundlage aller unbewussten Pläne, Ziele und  Erwartungen, die unser Verhalten und unsere Entscheidungen betreffen. Diese sind uns in der Regel nicht bewusst, so dass es sich so anfühlen kann, als ob die Entscheidung die wir treffen – selbst wenn sie dem Common Sense widerspricht – die einzig Richtige sein muss. Dass wir gar nicht anders entscheiden hätten können. Und solange die Grundlage dieser Denkprozesse unbewusst bleibt, mag dem auch so sein. Holt man die unbewussten Pläne, Ziele und Erwartungen aber ins Bewusstsein und gleicht sie mit der momentanen Lebensrealität ab, kann eine Veränderung in Gang gebracht werden.

Die eigene Lebensrealität ist eine stetige Momentaufnahme dessen, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Diese Wahrnehmung ist stets subjektiv, sie fußt auf einem phänomenologischen Feld, das uns die Welt nie präsentiert wie sie ist, sondern nur, wie sie sich uns aufgrund unserer unbewussten Grundannahmen zeigt.

Diese unbewussten Grundannahmen über uns und über die Welt bilden sich in der ersten Phase unseres Lebens. Bereits als Kleinkind setzen wir uns Ziele für unser Verhalten und formen unseren Lebensplan, aus dem sich ein bestimmter Lebensstil entwickelt. Dieser Lebensstil beeinflusst maßgeblich die Form des Denkens – der unbewussten Denkprozesse, die uns zu Entscheidungen führen, die wir als begründet wahrnehmen. Da diese Begründung aber oft im Unbewussten liegt, fällt es uns schwer ad hoc Auskunft über die Beweggründe unserer (irrationalen, oft selbstschädigenden) Verhaltensweisen oder Entscheidungen zu geben. Wenn uns jedoch ein Gegenüber ein Interpretationsangebot macht, dass den Kern dieser versteckten Gründe unseres Verhaltens trifft, fühlen wir uns verstanden und verstehen uns dadurch auch selbst. Wir holen etwas ins Bewusstsein, was uns zuvor nicht zugänglich war und können diese Inhalte neu justieren.

Deshalb nimmt die Entschlüsselung der privaten Logik einen immensen Stellenwert in der Individualpsychologie ein: Sie ist der Schlüssel zum Verständnis, sowohl zwischen (Individual-)Psychologe und Klient, als auch für den Klienten selbst, um seine innere Landkarte besser verstehen und neu justieren zu können. Das Verständnis von Seiten des Individualpsychologen erzeugt außerdem ein Gefühl des verstandenwerdens beim Klienten, welches wiederum dazu führt, dass dieser sich mehr öffnet und tiefer in seine eigenen unbewussten Prozesse eintauchen kann.

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