-
Haltung statt Heilung
Der Gesundheitsmarkt boomt – Heilversprechen erhält man heute gefühlt an jeder Ecke: Sei es die Auflösung energetischer Blockaden oder verdrängter Traumata. Die Arbeit mit dem inneren verletzten Kind oder die Vertreibung irgendwelcher Fremdenergien, die das eigene System besetzt haben sollen. Wir können unsere Ahnenreihe heilen und über selbsternannte Medien mit Engeln kommunizieren. Die Auswahl ist groß, das Geschäft auch. Was all diesen Anbietern gemein ist, ist die Vorstellung, Ihre Kunden benötigen Heilung. Und die Konsumenten denken das zu großen Teilen auch. Aber ist dem wirklich so? Ich spreche hier nicht von Menschen, mit ernsthaften psychischen oder körperlichen Erkrankungen. Sondern von jenen, die sich nicht krank genug für eine Psychotherapie aber…
-
Das Verhältnis von Individualität, Gemeinschaft und Masse
Wer seine Individualität auslebt ist nicht gemeinschaftstauglich? Ein Vorurteil, das mir immer wieder begegnet. Was aber auf einem begrifflichen Missverständnis beruht: Individualität ist nicht gleich Egoismus oder Egozentrik. Während wir mit letzteren Eigenschaften tatsächlich an die Grenzen der Sozialverträglichkeit stoßen, schaffen wir mit dem Leben der eigenen Individualität erst die Bedingung für Gemeinschaft. So sieht das auch Viktor Frankl: Gemeinschaft und individuelle Existenz konstituieren einander. Er veranschaulicht diese These mit dem Vergleich eines Mosaik-Werks: Der einzelne Stein- mag er auch noch so bunt sein – wird nur durch das Gesamte, die Anordnung mehrerer individueller Steine zu Mosaik. Während die vielen kleinen, unterschiedlichen Steine also das Mosaik-Werk hervorbringen, macht das Mosaik-Werk den…
-
Neurosen & Psychosen
Neurosen und Psychosen spielen eine wesentliche Rolle in der Psychologie – sei es nun im erkenntnistheoretischen oder therapeutischen Kontext. Dennoch ist hier Vorsicht geboten, denn es handelt sich um Pathologisierungen, die auch immer mit dem Zeitgeist in Verbindung stehen. Nicht selten in der Geschichte wurde diese Form von Pathologisierung als politisches oder gesellschaftliches Machtinstrument genutzt. Wer krank ist, den muss man nicht ernst nehmen. Und somit ist jegliche Bedrohung der eigenen Wahrnehmung oder Anschauung, jede Kritik, jeder Störfaktor vom Tisch. Diese Problematik wird in den Geisteswissenschaften nach wie vor breit diskutiert. Vor allem die Frankfurter Schule hat sich damit ein Gebiet erschlossen, das nach wie vor nicht an Relevanz verliert.…
-
Freiheit, Schicksal und Verantwortung
Freiheit. Ein Begriff, der in unterschiedlichsten Kontexten immer wieder verteidigt, erstrebt und gefordert wird. Und das ist auch richtig. Aber: die Freiheit hat auch eine nicht zu unterschätzende Kehrseite, die oft ausgeblendet wird: Nämlich die der Verantwortung. Schon Sartre machte dieses Phänomen zum Kernargument seiner Überlegungen und kommt zu dem Schluss: Freiheit ist nicht nur ein Geschenk, sondern wir sind auch zu ihr verdammt. »Frei sein heißt zum Freisein verurteilt sein.« Jean-Paul Sartre Verurteilt sind wir deshalb, weil wir uns nicht selbst erschaffen haben sondern wie auch immer erschaffen worden sind. Und gerade weil wir in die Welt geworfen sind, müssen wir uns zu ihr verhalten. Müssen Entscheidungen treffen und…
-
Zum Verhältnis Psyche, Seele, Geist
Psyche, Seele und Geist sind nicht dasselbe – auch wenn sie im Alltag oft synonym verwendet werden. Die menschliche Psyche besteht aus Seele und Geist, wobei sich der Geist dem Bewusstsein und die Seele dem Un(ter)bewusstsein zuordnen lässt. Bildlich kann man sich das in etwa so vorstellen: Die menschliche Psyche ist die hohe See. Auf der Oberfläche schwimmen Schiffe, sie repräsentieren den Geist. Unter der Oberfläche befindet sich die Seele, um diese zu ergründen muss man tief tauchen und braucht einen langen Atem. Die Schiffe konstruiert man sich im Übrigen selbst. Sie lassen sich immer wieder neu zusammen bauen. Die Dichte des Materials hängt von den jeweiligen Überzeugungen ab, aus…
-
Kunst vs. Vernunft
Manche Dinge kann die Vernunft wenn überhaupt nur unter äußerster Anstrengung begreifen, während sie sich einem durch die Kunst auf eine seltsam intuitive und geradezu rührende Weise offenbaren.